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Podiumsdiskussion2016 webPrien. „Haben wir etwas bewirkt? Werden sich in Zukunft mehr Jugendliche an unserer Schule mit Politik auseinander setzen?“ fragte Manuel Linke, Schüler der 11. Jahrgangsstufe an der Freien Waldorfschule Chiemgau im Kleinen Kursaal von Prien, in dem er jetzt den öffentlichen Vortrag zu seiner Jahresarbeit hielt. Gemeinsam mit seinem Klassenkameraden Jakob Lippert hatte er zu Beginn des Jahres eine große politische Podiumsdiskussion im Großen Kursaal organisiert. Das Thema dazu lag auf der Hand: Die Auseinandersetzung mit der Flüchtlingspolitik. Jetzt schrieb Manuel Linke seine Projektarbeit über „Politische Meinungsbildung“.

Die Organisation dieser Podiumsdiskussion stellt den praktischen Teil dieser insgesamt über 50 Seiten umfassenden Arbeit dar, die nicht nur Teil der Abiturprüfung sein wird sondern auch zum Waldorfschulabschluss gehört. Ende Januar waren insgesamt 294 Schülerinnen und Schüler aus insgesamt drei verschiedenen Waldorfschulen aus München, Rosenheim und Prien, 150 Schüler der Kommunalen Realschule in Prien sowie deren Eltern und Lehrer der Einladung in den letztlich randvoll besetzten Kursaal gefolgt. Auf dem Podium: Vertreter der politischen Parteien, Nicole Britz (Piratenpartei), Matthias Ernst (Bündnis 90/Die Grünen), Andreas Winhart (AfD), Daniel Artmann (CSU), Angelika Graf (SPD), Ates Gürpinar (Die Linke).

„Es ging uns in erster Linie um politische Meinungsbildung bei Jugendlichen. Denn sie ist schließlich die grundlegenste Voraussetzung unserer Demokratie. Das Thema war dabei zweitrangig und ergab sich aus der aktuellen Situation“, berichtet Manuel Linke rückblickend. Die Idee: Jugendliche sollten live mit Politikern konfrontiert werden und ihre Meinungsbildung selbst erproben. „Wir sind bald wahlberechtigt, das ist eine große Verantwortung“, unterstreicht Linke.

Mit der Podiumsdiskussion wollte man sozusagen politische Information aus erster Hand bieten und damit grundsätzliches politisches Interesse wecken und bestärken. Geschichtslehrerin Dr. Sabine Arndt-Baerend und die Deutschlehrerin Dr. Christl Kiewitz standen den Jugendlichen bei den Vorbereitungen dieser großen Veranstaltung zur Seite. „Sie sind von der ersten Idee bis zum Ende dran geblieben, haben sich durch nichts entmutigen lassen“, erzählt Arndt-Baerend, stolz auf ihre beiden Schüler und das Vorbereitungsteam, das sich um die beiden Jungs bildete. „Das oberste Lehrziel für die Oberstufe an einer Waldorfschule ist es, Weltinteresse zu wecken. Junge Menschen sollen erleben, dass diese heutige Welt die ihre ist, dass sie sie verstehen und mitgestalten können“, betont die engagierte Lehrerin.podium web2

Die Organisation der Podiumsdiskussion gestaltete sich schwieriger als gedacht. Denn die beiden Hauptorganisatoren wollten ihre Mitschüler mit wirklich allen politischen Richtungen konfrontieren. Und dazu gehörte für sie auf jeden Fall die allseits umstrittene AfD. Doch weder Klaus Stöttner von der CSU noch Claudia Stamm von den Grünen, die beide ihre Teilnahme bereits zugesagt hatten, wollten mit der als rechtspopulistisch geltenden Partei auf eine Bühne. „Wir hätten die Veranstaltung lieber abgesagt, als die AfD auszuladen. Schließlich sollte dieses Podium eine Lehrstunde über demokratische Diskussionskultur sein“, betont Linke, der die Haltung der beiden Politiker nicht nachvollziehen konnte. Erleichtert war man, als schließlich beide eine Vertretung benannten. Allerdings rief die Einladung des AfD-Vertreters die Polizei auf den Plan, die Demonstrationen befürchtete. Doch am besagten Termin verlief alles ruhig und wohlgeordnet, was nicht zuletzt der guten Organisation des Veranstaltungsteams und ihrer beiden Lehrerinnen zu verdanken war.

Die insgesamt sechs Vertreter ihrer Parteien stellten sich den gut überlegten und vorbereiteten Fragen der Schülerinnen und Schüler. Zu Beginn hatte es kurze Impulsreferate gegeben, die das Themengebiet verdeutlichten und inhaltliche Informationen rund um die Flüchtlingskrise lieferten. So sollte das jugendliche Publikum auf einen gemeinsamen Kenntnisstand gebracht werden. Dr. Sabine Arndt-Baerend sorgte mit ihrer souveränen Moderation für einen sachlichen Ablauf der Diskussion.

Am Ende stand ein Fragebogen, den Manuel Linke in seiner Schule verteilte. Die Antworten der 161 Teilnehmer war eindeutig: Diese Form von politischer Auseinandersetzung war toll. Sowas müsste es öfter geben. Und vor allem: insgesamt 36 Prozent der Befragten wollen sich künftig mehr und auf keinen Fall weniger mit dem aktuellen politischen Geschehen auseinander setzen.

Von Petra Plützer, Referentin Öffentlichkeitsarbeit an der Freien Waldorfschule Chiemgau in Prien

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