11.Oktober 1942 Zrenjanin – 25. November 2024 Nürnberg
Für die Landesarbeitsgemeinschaft Freier Waldorfschulen in Bayern von Andrea Wiericks
Dr. Erich Heinermann entstammt einer Familie, die - aus Lothringen kommend - schon zu Zeiten der Kaiserin Maria Theresia im Banat angesiedelt wurde. Das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Völker dort wurde durch den 2. Weltkrieg und den darauffolgenden Einmarsch der Sowjetunion jäh unterbrochen – Flucht und Vertreibung waren die Folge.
So siedelte Familie Heinermann sich zu Kriegsende westlich von Wien an. In dem kleinen Ort, der ihre neue Heimat bildete, wurde die schulische Begabung Erich Heinermanns schnell sichtbar, so dass Arzt und Pfarrer des Ortes ihm den Besuch einer weiterführenden Schule ermöglichten. Seine Matura legte er mit schon 17 Jahren ab und begann gerade 18jährig sein Studium in Wien: Geschichte, Deutsch, Philosophie und als Nebenfächer Kunst und Latein. Mit 22 promovierte er in Geschichte als jüngster Doktorand Österreichs.
Noch in Wien lernte Erich Heinermann seine spätere Frau, Elisabeth Weißert, kennen, die Tochter von Ernst Weißert, der lange Jahre Vorstand und Geschäftsführer im Bund der Freien Waldorfschulen in Stuttgart war. Nach zwei Jahren Unterrichtstätigkeit in Mödling bei Wien zog es die junge Familie deshalb nach Bayern – dort gab es 1967 immerhin schon zwei Waldorfschulen und Heinermanns entschieden sich für Nürnberg.
Auch in der Rudolf-Steiner-Schule Nürnberg blieben die Fähigkeiten Erich Heinermanns nicht unbemerkt: In nur fünf Jahren avancierte er gerade 30jährig zum Schulleiter, was er für die nächsten 30 Jahre bleiben sollte.
Die größte Schule Bayern mitzugestalten war in der Folge nur eine seiner Aufgaben.
Als 1976 nach Nürnberg und Schwabing die dritte Waldorfschule Bayerns in Würzburg entstand, war es klar, dass es im Land einen Verbund dieser Schulen geben müsse. Zusammen mit einigen Kollegen nahm er sich dieser Aufgabe an, die Landesarbeitsgemeinschaft entstand. Kennzeichnend für ihn war, dass er von der Gründung der LAG bis zu seinem Ausscheiden 2007 ununterbrochen Vorstand der LAG war, so dass bald der Ausdruck die Runde machte, in Bayern werde die LAG von einem Landesfürsten geführt. Bei aller Bescheidenheit hat ihm dieser Ausdruck doch sehr gut gefallen.
Zu seinen Hauptaufgaben gehörte die politische Vertretung der Schulen. Dafür waren Gespräche mit Politikern im Landtag nötig und da wir zu manchen Terminen gemeinsam gingen, konnte ich gut erleben, welche Wirkung Erich Heinermann ausübte. Man muss vor dem Landtag die Pforte passieren, um die Pässe abzugeben und den Besucherausweis zu bekommen. An der Pforte gab es eine Concierge, Frau Gimpel. Es hat nicht lang gedauert und es musste kein Pass mehr abgegeben werden, sondern Frau Gimpel begrüßte mit einer Umarmung. Und das lag sicher nicht nur an den Nürnberger Lebkuchen, die Erich Heinermann ihr vor Weihnachten immer mitbrachte.
Die zweite große Aufgabe waren die Kontakte mit dem Kultusministerium. Manchmal, wenn es ganz heikel war, ging er vor dem Termin nicht ins Café Arzmiller, sondern zuerst in die Theatiner-Kirche.
Waldorfschulen wurden damals kritisch beäugt, wurden als Anhängsel einer Sekte betrachtet und waren einfach fremd. Erich Heinermann prägte den Stil, mit welchem Waldorfinteressen in der bayrischen Schulwelt vertreten und im Laufe der Jahre auch akzeptiert wurden. Am 19. Februar 2003 erhielt Erich Heinermann aufgrund seines herausragenden Engagements für die Waldorfschulen von der damaligen Kultusministerin Hohlmeier deshalb den Bayerischen Staatspreis für Unterricht und Kultus.
Die dritte große Aufgabe war, für unsre Schulen ein stets kompetenter Ansprechpartner für alle Fragen zu sein, so dass schon seine bloße Gegenwart sich beruhigend auswirkte.
Dass er so ernst genommen wurde, lag auch an seinem Auftreten. Ich erinnere noch gut den Satz: „Nun, ich bin ja nicht ganz uneitel...!“ - was sich darin zeigte, dass seine Autos, außer das letzte, immer einen Stern darauf hatten und seine Kleidung, wie er betonte, nicht einfach Wolle, sondern eben Kaschmir war. Und natürlich war es auch die Art, WIE man etwas trägt.
Die Sprache war seine Freundin. Seine ungewöhnliche Fähigkeit des aktiven Zuhörens, seine Diplomatie, seine Verbindlichkeit, sein Interesse am anderen, der Wiener Charme, sein Geschick, unterschiedlichste Standpunkte zu vereinen, das war legendär und hat einen tragfähigen Boden gelegt.
Die Nachfolge eines solch charismatischen Menschen anzutreten, ist nicht einfach. Es musste wohl fast zwangsläufig im Prozess des Loslassens und Ablösens zu Situationen kommen, die für ihn einen etwas bitteren Beigeschmack hatten.
Bei alledem verlor er nie – oder nur selten – seinen Humor. Erich Heinermann hat ausgesprochen gern gelacht, was man ihm auch ansah. So wird es uns allen nicht allzu schwerfallen, dem Wort Rudolf Steiners zu folgen, dass man die Begleitung der Verstorbenen wohl am besten ausübe, wenn man sich an Situationen erinnere, in welchen man herzlich miteinander gelacht habe.
Sehr geehrter Dr. Heinermann, lieber Erich, wir danken Dir von Herzen für alles, was Du geleistet hast, es dient uns als Grundlage unserer heutigen Arbeit. Wir wissen, dass wir in Dir einen Fürsprecher in der Geistigen Welt haben, der uns hilft und begleitet.
Andrea Wiericks